Texte, Lyrik, Dramolette

Thomas M. Fiedler

 

Franz soll mithelfen!
 

Dramolett in zwei Teilen
aufgezeichnet von
Thomas M. Fiedler

 

Vorspiel oder "Was ist anders?"

Krankenhaus am Rande von Wien, Zweibettzimmer mit Blick auf einen winterlichen Park.

 Anna bringt in Begleitung von Pflegern „ihren Franz“ ins Zimmer. Franz ist vom Prinzip „Jäger“, aber Jäger „nach der Jagd“. Also Franz ist über 70, sitzt im Rollstuhl, schaut herum und schweigt. Anna ist vom Prinzip „Sammlerin“, aber aktive Sammlerin. Also Anna ist über 70, trägt ihre Kunsthaar-Perücke wie eine Pelzmütze, geht herum, sammelt Eindrücke und redet darüber ausführlich.

Anna (zu Franz): Hast du das gesehen. Die Zimmer schauen anders aus, als beim letzten Mal. Alles umgebaut. Schön. (Verlässt das Zimmer, vergewissert sich, kommt wieder, freut sich.) Alles umgebaut, jetzt gibt’s sogar ein „Teezimmer“ für die Schwestern, das war früher nicht. Dafür sind die Zimmer kleiner. (Fragt rhetorisch): Also weißt du?, sie haben ein Teezimmer und dafür ist alles anders. Da sagen sie immer, sie haben kein Geld und Soundso - und dann so etwas. Die gehören ja alle eingesperrt (denkt nach, zischt leise) oder erschossen.

Franz (schaut und schweigt).

Anna zu Franz: Wir dürfen nicht vergessen zu sagen, was du hast, weißt eh, Durchfall. Salmonellen oder so – wir haben eh den Befund.


Erster Teil oder "Anamnese"

Ärztin (betritt den Raum - zu Franz): Also sie kommen nur zur Darmkontrolle. (Liest von einem Bogen leise und schnell eine Vielzahl von Fragen zu Befindlichkeit und Gesundheit von Franz vor … und beantwortet alle selbst. Franz u. Anna haben gar nichts mitbekommen.)

TF (mischt sich ein, hilft mit): Also vorher habe ich etwas von einem Durchfall gehört.

Ärztin (irritiert): Also kein normaler Stuhl?

Anna: Ja, Durchfall, von diesen, wie heißen sie denn – wir haben eh den Befund.

Ärztin (nachdem sie gerade nach Allergien gefragt hat, feststellend): Also Durchfall durch eine Allergie.

Anna (versteht das falsch): Aha, also durch eine Allergie ist der Durchfall. Das habe ich nicht gewußt.

Franz (versteht das überhaupt nicht).

Anna: Ich habe gedacht durch diese, na wie heißen sie denn? (zu Franz nachdrücklich): Du sollst mithelfen und dir auch etwas merken und wenn man dich fragt, kannst du „Soundso“ sagen. (Und zur Ärztin): So ist das mit ihm.

Franz (könnte sprechen, will aber nicht „Soundso“ sagen).

Ärztin: Also, was ist das jetzt.

Anna (holt aus einem Umschlag einen „Berg“ Papierblätter heraus – zur Ärztin): Das haben sie eh alles in Kopie, da steht das irgendwo drinnen. Sie müssen das nicht jetzt lesen sondern dann, wenn sie viel Zeit haben.

Ärztin (versteht das nicht, schüttelt nicht einmal den Kopf).


Zweiter Teil oder "Soll man da an Gott glauben?
"

Anna zu TF: Sie schauen aus wie der Stationsleiter, Prof. Huber, wissen Sie das? (Einzige Ähnlichkeit: männlich!)

TF (noch versuchend Weiteres zu vermeiden, scherzend): Nein, aber vielleicht bin ich es.

Anna zu TF: Also soll man da an einen Gott glauben (deutet auf Franz) der so etwas macht?

TF (schaut, will weit ausholen, besinnt sich, kürzt): Nein.

Anna zu TF: Wie?

TF (schon längst ahnend, dass jedes weitere Wort im besten Fall verwirrend wirkt): Ich bin Buddhist.

Anna zu TF (ihn abermals verwechselnd): Also sind Sie nicht von da, sondern zugereist?

TF (ihr das Gefühl geben wollend, diesmal nicht zu irren): Ja, aus Wien.

Anna zu TF: Das mit dem „Soll man da an einen Gott glauben?“ sagt man ja nur so. (Und entschuldigend): Ich gehe immer am Sonntag in die Kirche. (zu Franz): Also wie heißen die Soundso jetzt, wegen dem Durchfall, jetzt habe ich schon alles zwei Mal gelesen, aber da steht nichts mehr. (Blättert weiter, überrascht): Da steht‘s: Salmonellen. (Läuft mit dem Befund auf den Gang zur Ärztin, kommt wieder zurück, zu Franz): Na, jetzt habe ich’s ihr gezeigt, Salmonellen, Befund negativ, na ja, is‘ halt negativ, aber ich hab’s gewußt.

 

Vorhang

 

© T.M.FIEDLER 2010

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