"Meine" Bücher

Thomas M. Fiedler

 

 

Der Schüler Gerber

Friedrich Torberg

Paul Zsolnay Verlag, 1958.

Roman von Friedrich Torberg aus dem Jahre 1930, der die tragische Geschichte eines Schüler-Lehrer-Machtkampfes erzählt.

Ausgangslage

Schüler wie Kurt Gerber - intelligent, rebellisch und "reifer" als ihre Klassenkameraden - sind Professor Kupfer ein Dorn im Auge. So ist es wohl zu erklären, dass dieser während der Ferien, deren Sommerfrische er zufällig am gleichen Ort wie Kurt Gerber mit seinen Eltern verbringt, gegenüber Kurts Vater die Drohung vorbringt, dass er diesen Kurt Gerber auch noch brechen werde, sollte er ihn in die Finger bekommen. Das Brechen des eigenen Willens ist ein zeittypisches, verbreitetes Ziel der autoritären Schwarzen Pädagogik sowie des Drills beim Militär.

Als Kurt Gerbers Vater erfährt, dass Artur Kupfer der neue Klassenvorstand seines Sohnes wird, möchte er seinen Sohn aufgrund dieser Drohung dazu überreden, entweder die Schule zu wechseln oder Privatunterricht in den Handelsfächern zu nehmen und danach in seinem Geschäft zu arbeiten zu beginnen. Der Privatunterricht ist für Kurt Gerber jedoch keine Option, da er ein Doktorat in Rechtswissenschaften oder Philosophie anstrebt, was ohne Reifeprüfung nicht möglich ist. Außerdem ist er so selbstbewusst, dass er nicht glaubt, dass ein Lehrer ihn zerbrechen könne. Trotzdem verspricht er seinem Vater, sich gegenüber der vorhergehenden Schuljahre zu ändern und seine Intelligenz mehr in das notwendige Schulwissen zu konzentrieren.

Ebenso glaubt er sich zu diesem Zeitpunkt Lisa Berwalds Liebe sicher. Er ist deshalb sehr enttäuscht, als er am ersten Schultag erfahren muss, dass sie die Schule verlassen hat. Er kann sich seine Enttäuschung jedoch nicht offen anmerken lassen, da die Mitschüler von der in seinen Augen besonderen Beziehung zu Lisa nichts wissen. Er fürchtet, dass sie seine Gefühle auf eine reine Schülerliebe herabsetzen würden. Er glaubt, dass sich Lisa aus eben diesem Grund vor anderen Leuten sehr distanziert zu ihm zeigt. Und auch wenn ihm oft Zweifel kommen, z. B. dass er drei bis vier Briefe schreibt, von ihr aber nur eine kurze Antwort erhält, reicht oft ein Blick oder ein Wort ihrerseits, damit er sich ihrer Liebe wieder sicher wähnt.

 

Der Schüler Gerber hat absolviert – so der Originaltitel des 1930 erstmals erschienenen Buches - wurde vermutlich durch Torbergs persönliche, teils negative Auseinandersetzung mit der Reifeprüfung inspiriert. Torberg fiel 1927 durch die Matura und wurde erst beim zweiten Versuch 1928 für „reif” erklärt. Das tragische Ende des Kurt Gerber wurde möglicherweise von mehreren Zeitungsberichten über Schülerselbstmorde im Januar und Februar 1929 inspiriert, die der Autor zu Beginn des Buches erwähnt.

Kernstück dieses Romans - abseits der erzählten Geschichte - ist ein Plädoyer gegen die damals (und teilweise auch heute noch) gültigen Maßstäbe der Notenvergabe und deren Subjektivität. Wären die guten Schüler immer noch gute Schüler - und die schlechten Schüler immer noch schlecht –, wenn man das Lehrerkollegium austauschte?


Kommentar

Thomas: Auch in meiner Schulzeit (in der Handelsakademie) gab es "Gott Kupfer" und all die anderen Erlebnisse, Entwicklungen und Bedrängnisse wie sie Gerber hatte - nur keinen Suizid. Aber das war Zufall.

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